Kultur während der Pandemie ein schwer getroffener Sektor: Erfahrungen und Schlussfolgerungen

Von März 2020 bis Ende März 2022 kämpfte der Kultursektor mit der Ungewissheit über den Verlauf der Pandemie, kurzfristigen Absagen, Verschiebungen und häufigen Umplanungen von Aktivitäten. Der gesamte Sektor war von den Pandemiemassnahmen wie sozialer Isolation und Schliessungen stark betroffen. In einem 2021 veröffentlichten Bericht wird geschätzt, dass der Umsatz des Kultursektors in der Europäischen Union von 2019 bis 2021 um 31 % zurückgegangen ist, stärker noch als im Tourismussektor. Der Teilsektor der darstellenden Künste war dabei mit einem Umsatzrückgang von erstaunlichen 90 % besonders betroffen. 

Die im Rahmen des Arbeitskreises Kunst & Kultur vorgestellte Studie «Kulturförderung in der Schweiz zu Pandemiezeiten: Erfahrungen und Schlussfolgerungen» der Fondation Lombard Odier in Kooperation mit CEPS untersuchte den Kultursektor während der Covid-19 Pandemie und hält fest, dass die Pandemie mehrere Trends beschleunigt oder ins Blickfeld gerückt hat, die bereits zuvor begonnen hatten, den Kunst- und Kulturbereich zu verändern. Aufbauend auf dem Überblick über die allgemeinen Auswirkungen der Pandemie auf den Kultursektor werden fünf Schlüsseltrends beleuchtet, die den Kultursektor verändern. Es wird gefragt, welche Bedürfnisse und Möglichkeiten sie schaffen und wie Förderer sich sinnvoll einbringen können. 

#1 Digitalisierung des Kulturangebots bei gleichzeitigem Erhalt der «analogen Schätze» 

Fast die Hälfte der fast 400 von der Schweizer Medienagentur L‘Oeil du Public befragten Institutionen gibt an, dass die Covid-19-Krise ihre Digitalisierungsinitiativen beschleunigt hat. Auf der Nachfrageseite zeigt die Umfrage jedoch, dass das Publikum kein grosses Interesse an rein digitalen Theater- und Tanzaufführungen hat. Dies deutet darauf hin, dass hybride Angebote, die On- und Offline Funktionen kombinieren, ein erhebliches Potenzial haben könnten. Die Verschmelzung von Live-Erlebnissen mit digitalen Technologien ermöglicht es Kulturschaffenden, die Grenzen zwischen Face-to-Face und virtueller Realität zu überschreiten und das Publikum mitzunehmen. 

#2 Verbesserung des ökologischen Fussabdrucks der Kulturindustrie 

Einer der Nebeneffekte der Pandemie und des daraus resultierenden Reiseverbots war ein ungeplantes Experiment: Nationale Tourneeveranstalter konnten keine ausländischen Gruppen einladen. Felizitas Ammann von der Schweizer Kulturorganisation Pro Helvetia stellt auf das Reiseverbot zurückführend eine Zunahme der Zusammenarbeit zwischen einheimischen Kulturschaffenden fest. Zudem arbeitet der Kultursektor vermehrt mit der lokalen (Laien-) Bevölkerung zusammen, was sich sehr positiv auf die Erweiterung der kulturellen Teilhabe und den Zugang zur kulturellen Produktion auswirkt. 

#3 Verbesserung der sozialen Sicherheit von Kulturschaffenden  

Ein Teil des Problems des Schweizer Kultursektors besteht darin, dass seine Repräsentation in der Vergangenheit durch die Zersplitterung in Sparten geschwächt war. Die existenzielle Krise von Covid-19 hatte den positiven Nebeneffekt, dass sich rund 90 Kulturverbände im Rahmen der «Task Force Kultur» zusammengeschlossen haben. Der Kultursektor ist nun in der Schweiz so stark wie nie zuvor vertreten. 

#4 Durchgängige Anwendung fairer Praktiken 

Damit faire Praktiken auch nach dem Ende der Pandemie auf der Tagesordnung bleiben, müssen mehrere Arbeitsbereiche gefördert werden: Bewusstseinsbildung, Systematischer Austausch zwischen den Akteuren, eine koordinierte Entwicklung von Leitlinien, Empfehlungen oder Gütesiegeln. 

#5 Förderung der kulturellen Teilhabe 

Gesellschaftliche Relevanz lässt sich nicht ohne die Einbeziehung des Publikums erreichen. Laut Beate Engel von der Stanley Thomas-Johnson-Stiftung haben viele Kulturschaffende positive Erfahrungen mit neuen Formaten gemacht und wollen diese weiter nutzen. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, um den Austausch neuer Erfahrungen ausserhalb der Theatermauern oder mit digitalen Formaten zu fördern und so von erfolgreichen Beispielen zu lernen und sie zu reproduzieren. 

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